„Wir wissen nicht, was uns hinter den Schulhaus- und Klassenraumtüren erwartet, wenn wir Anfang Mai in der Lausitz unterwegs sind“, so Jana Arlt, Lyrikerin, Kreativpädagogin und Vereinsmitglied im Literaturzentrum „Ich schreibe!“, „im Gepäck haben wir zu den Schüler-LITERATUR-Tagen immer Bücher mit Geschichten von Kindern und Jugendlichen und einen Gastautor.“ In diesem Jahr organisierte sie gemeinsam mit Wolfgang Wache und Susann Vogel Lesungen in Senftenberg und Großräschen. Als Gast gab Alexander Kiensch dem Programm der drei Tage ein Sahnehäubchen. Manche Senftenberger kennen ihn von den Lesungen des Lausitzer Lyrikfestivals und kamen wegen seiner Geschichten in die Stadtbibliothek Senftenberg. Mit seinem zweiten Kurzprosaband beeindruckte der 26-jährige Hallenser einmal mehr. Die Geschichte „Der König unter den Blinden“ aus der Anthologie zum Thema Schulalltag „Mathe, Deutsch & blaue Flecken“ Band 1 berührte zu Beginn der Lesung in der Senftenberger Kellermann-Oberschule die Achtklässler. Wie man zu den Geschichtenthemen kommt, seit wann er schreibt und wie es zu den bisher zwei Veröffentlichungen kam, waren Fragen, die zwischen den Textlesungen an den Autor gestellt wurden. Alexander Kiensch macht klar, wie wichtig es ist, im Schreiben z.B. von Lehrern und auch in literarischen Zirkeln bestärkt zu werden. Für ihn, so plaudert er aus dem Nähkästchen, war es früher sehr wichtig die richtigen Namen für die Figuren zu finden, später war er mächtig stolz auf seine erste Geschichte, in der die Personen nur als „er“ oder „sie“ agierten. In „Tanja“ wählt er den Namen der Hauptperson als Titel. Diese Geschichte, veröffentlicht in „Mathe, Deutsch & blaue Flecken“ Band 2, geht im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut, denn er thematisiert die unter „Ritzen“ bekannte Form der Selbstverletzung. Alexander Kienschs Geschichten sind nicht gefällig, sind keine Unterhaltung, sie regen zum Nachsinnen und zum Gespräch an, wie der Text „In vollen Zügen“, der einem Selbstmordattentäter ein Gesicht, eine Geschichte gibt. „Für Anneliese“ ist eines der zwei Gedichte aus dem neuen Buch „Kompott“. Ein persönliches Gedicht, eines, das für langes Schweigen sorgt. „Am wichtigsten bei Alexander Kienschs Prosa und Lyrik ist jedoch, dass er literarisch arbeitet“, so Wolfgang Wache, selbst Autor und Verleger. „Viele meinen, eine spannende Idee, ein aktuelles Thema genügen, um daraus eine gute Geschichte zu schreiben, aber das stimmt nicht. Ein guter Autor kann sogar über einen Grashalm spannend schreiben. Alexander Kiensch überrascht uns in unseren Werkstätten und bei der gemeinsamen Arbeit an seinen Büchern immer wieder. Er kann einfach erzählen.“
Im kommenden Jahr wird es die Schüler-LITERATUR-Tage zum vierten Mal geben. „Hoffentlich können wir dafür wieder genügend Gelder organisieren“, zweifelt Jana Arlt, „denn der Bedarf besteht in den Schulen, oft sind deren Kassen aber für solche Angebote leer.“
pm